Was bedeutet „Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung“ - Ausführungen für Betroffene
Der Welttag für psychische Gesundheit (World Mental Health Day) möchte auf psychische Erkrankungen aufmerksam machen. Menschen mit psychischen Traumafolgestörungen zählen hierbei zu einer besonders vulnerablen Gruppe.
In der ICD-11 (WHO, 2019), die seit dem 1. Januar 2022 in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Kraft getreten ist, wurde die Diagnose komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) erstmals eingeführt. Sie ist dort im Kapitel 6B41 unter „Störungen, die spezifisch Stress-assoziiert sind“ zu finden. Eine Einordnung fand sich in der alten Fassung (ICD 10) unter dem Kapitel F62.0 „Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung“.
Die Diagnose hilft Betroffenen die Symptome zu beschreiben und psychische und körperliche Reaktionen zu verstehen
Den Betroffenen erlaubt die Diagnose zunächst eine Einordnung ihrer Symptome. Sie gibt den Dingen einen Namen. Menschen, die an einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, haben ein extrem bedrohliches Ereignis oder eine Reihe von solchen Ereignissen über einen längeren Zeitraum erlebt. Jahrelanger Missbrauch oder schwere Vernachlässigung in der Kindheit, aber auch wiederholter sexueller oder körperlicher Missbrauch sind Beispiele dafür. Diese (lebens)bedrohlichen Ereignisse haben Folgen. Betroffene können sich oft selbst nicht mehr spüren, Beziehungen zerbrechen, Stress kann kaum mehr bewältigt werden, man verliert die Kontrolle über seine Gefühle, erlebt Ohnmacht, verliert den Halt. Dies erleben Betroffene in Ihrem Alltag, der sich für sie verändert: Gefühle oder körperliche Reaktionen sind häufig so stark, dass es schwer fällt zwischen dem „Hier und Jetzt“ und dem „Dort und Damals“ zu unterscheiden. Es kommt Betroffenen so vor, als wären sie wieder in der traumatisierenden Situation. Aktivitäten, Menschen, Gedanken oder Situationen, die mit den Ereignissen in Verbindung stehen, werden vermieden. Auch erhöhte Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit sind weitere Folgen. Ebenso haben die Betroffenen große Probleme ihre Gefühle zu kontrollieren und erleben andauernde Schwierigkeiten in wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Art und Weise, wie sie sich selbst wahrnehmen, verändert sich grundsätzlich in eine negative Richtung und Scham, Schuld oder Versagen treten häufig auf.
Diese Probleme und Schwierigkeiten stellen eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis dar. Die erlebten (lebens)bedrohlichen Erlebnisse verändern Gedanken, Gefühle, (körperliche) Reaktionen und das Verhalten. Hier ist es unabdingbar, dass Betroffene schnell professionelle Hilfe erhalten, um das Erlebte zu verarbeiten und zu bewältigen.
Die Diagnose gibt Fachpersonen Anhaltspunkte für die Behandlung
Die Diagnose komplexe Posttraumatische Belastungsstörung ist seit einiger Zeit auch im Fokus der Wissenschaft. Die Symptome und evidenzbasierte Möglichkeiten der Behandlung wurden bereits intensiv beforscht, lange bevor die Diagnose offiziell eingeführt wurde. Das, was Betroffene erleben, ist daher nicht neu, es hat aber nun einen offiziellen Namen bekommen. Weitere Forschung ist jedoch notwendig, um die Erkenntnisse weiter auszubauen.
Eine richtige Diagnosestellung ist Anhalts- und Ausgangspunkt für die adäquate Behandlung und sollte ausschließlich durch eine Fachperson erfolgen.
Die DeGPT widmet der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung mit einem aktuellen Schwerpunktthema verstärkte Aufmerksamkeit. Ziel ist dabei, Informationen zu bündeln und Fachpersonen und Betroffenen zur Verfügung zu stellen.
Kontakt: vorstandsreferat@degpt.de
Weiterführende Informationen:
ICD-11 (Kapitel 6B41)
Literatur
Maercker, A., Cloitre, M., Bachem, R., Schlumpf, YR., Khoury, B., Hitchcock, C. & Bohus, M. (2022). Complex post-traumatic stress disorder. Lancet, Jul 2; 400(10345): 60-72. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736%2822%2900821-2/fulltext